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IKONEN?! - Spannende, vielleicht auch kontroversielle Ausstellung eröffnet

Vesselina Zagralova zeigt zeitgenössische „Heilige“ und kritische Arbeiten zu historischen barbarischen Ereignissen aus Geschichte und Gegenwart in klassischer Ikonentechnik.

Harald Ströbel (KONZT) schuf elf großformatige aus Überraschungseifiguren geschmolzene PopulistInnenportraits True Colors/Wahre Gesichter.

 


Sehr geehrte Damen und Herren!

Ikonen?! Fragezeichen, Rufzeichen

haben Vesselina Zagralova und Harald Ströbel (KONZT) ihre Ausstellung bei uns im Bildungshaus St. Hippolyt betitelt.
Ikone / icon meint zunächst nicht mehr und nicht weniger als Bild /Bildwerk. Für uns ist der Begriff Ikone/Ikonen ganz stark verknüpft mit der großen Tradition von Darstellung biblischer Personen und Erzählungen und heiliger Personen in den christlichen Kirchen des Ostens.
Die Theologie der Ikonen ist zu komplex und vielfältig, als dass ich mir hier darüber etwas zu sagen traute. Vesselina Zagralova hat in ihrer ursprünglichen Heimat Bulgarien – näherhin in Veliko Tarnovo – genau diese Theologie, Bedeutung und vor allem die traditionelle Technik des „Ikonenmalens“ studiert.

Technisch bleibt sie in den Ikonen der aufwendigen Machart klassischer Ikonen treu. Doch inhaltlich verlässt die den sonst streng bzw. eng reglementierten Kanon traditioneller Motive und Inhalte klassischer Ikonen, um in neue inhaltliche Felder auszuschreiten – in einem freien, kreativen, fortschreitenden Schaffen von „neuen Ikonen“.
In dieser Ausstellung zeigt Vesselina Zagralova zwei Werkblöcke dieses kreativen Hinaus- oder Weiterschreitens: In der Serie „Zeitgenössische ´Heilige´“ (Anführungszeichen!) schuf sie kleine kreisrunde Ikonen von Heiligen unserer Zeit. Diese Werke sind auch Anknüpfungspunkt unserem Haus. Bei dem offenen Kunstprojekt „Unsere Heiligen“ (2006-2016), das in diesem Band dokumentiert ist, der in unserem Cafe erhältlich ist, ging es auch darum, großzügig heilig zu sprechen. Die Auswahl zeitgenössischer Heiliger von Vesselina Zagralova ist subjektiv und sehr spannend. Mir selbst waren die meisten der Personen unbekannt, es lohnt sich den Namen im Netz nachzugehen. Darunter sind Umwelt-, Menschenrechts- und InternetaktivistaktivistInnen, ebenso wie ein ehemaliger Staatspräsident, … Es lohnt sich dem genauer nachzugehen. Ich denke mit einem Satz von Fartuun Asan „Treat the world as your family“ lässt sich vieles von dem zusammenfassen.
Ist dieser Werkblock zeitgenössischer Heiliger noch Heiligendarstellungen (wenn auch zeitgenössischen) gewidmet, so geht die andere Serie von Ikonen in eine ganz neue, ungewohnte, sehr kritische Richtung:
„In the name of …“
„In the name of …“ thematisiert und stellt acht historische Ereignisse dar. In denen aus verschiedenen Weltanschauungen heraus Kulturgüter früherer /anderer Auffassungen in barbarischen Akten zerstört wurden und werden. Die historischen Ereignisse reichen dabei von der Spätantike bis zu zeitgenössischen Ereignissen konkret bis ins Jahr 2012. In der Ausstellung können Sie sehr aufschlussreiche Informationen dazu finden.

Harald Ströbel (KONZT) zeigt 11 Arbeiten seiner in Fortsetzung begriffenen Serie „Wahre Gesichter – True Colors“. Harald Ströbel stammt aus Deutschland und studierte in Stuttgart Grafik-Design, jetzt lebt er wie Vesselina Zagralova in Wien. Seine Serie „Wahre Gesichter – True Colors“ zeigt in einer spannenden Technik, auf die der Künstler selber später noch genauer eingehen wird, Portraits aktueller Politiker und Politikerinnen, die oftmals als Populisten eingestuft / angesehen werden. Doch es wären nicht Arbeiten von Harald Ströbel, wenn sie nicht ein breites Spektrum von Interpretations- und Assoziationsmöglichkeiten böten. Die Initialen in den jeweiligen Titeln geben zwar Hinweise zu den konkret portraitierten Personen öffentlichen Lebens, doch was bedeutet es in der Serie „Wahre Gesichter“ angeführt zu sein? Wahre Gesichter / True Colours deutet jedenfalls darauf hin, dass es auch falsche/unwahre Gesichter gibt – von diesen Personen gibt. Für viele Menschen sind diese Populisten wichtige persönliche Bezugspunkte, die oft auch Ihre demokratische Stimme erhalten haben. Doch diese Idole (sprich Trugbilder) zeigen nicht immer oder vielleicht nur ganz selten und vielleicht nie freiwillig ihr wahres Gesicht. Portraits dieser Personen aus Spielfiguren zusammengeschmolzen zu präsentieren, wirft ein besonderes vielleicht spielerisches, vielleicht nicht zu ernst nehmendes, vielleicht aber auch ein todernstes sehr kritisches Licht auf diese Gestalten.
Idole – Trugbilder müssen entlarvt werden, müssen möglichst bald gezwungen werden, ihr wahres Gesicht zu zeigen, bevor sie viel Unheil anrichten können, im Namen derer, die sie oft wohlwollend wählten und einem Trugbild aufgesessen sind, das nicht sein wahres Gesicht zeigte.
Eine Bitte zu diesen Arbeiten und zu dieser Serie: Gehen Sie nicht zu platt an diese Personen und die Portraits heran, in dem Sie bloß eigene Meinungen bestätigt oder spannend aufbereitet sehen! Fragen Sie sich nach Hintergründen und Gründen, warum diese Idole so verlockend sind, und was in anderen politischen Richtungen fehlt, das hier gesucht und vielleicht zum Teil auch gefunden wird. Auch in einigen Arbeiten von Vesselina Zagralova werden Idole vom Sockel gestoßen. In den vier Frauenportraits, die Idealtypen von Frauen thematisieren, die offenbar vom 3. Jahrtausend vor Christus bis heute annähernd gleich funktionieren, kritisiert sie Trugbilder klassisch tradierter geschlechtsspezifischer Rollenzuschreibungen. In der schon erwähnten Serie „In the name of …“, sehen wir auf der ersten Ikone den sehr beliebten Heiligen Nikolaus, der im Eifer Götzenbilder der Heiden zertrümmert, aber auch Regime, die Bücher verbrennen und Radikale, die bis heute Kulturgüter anderer Weltanschauungen aus ideologischen Gründen zerstören.
Niemand – auch wir selbst nicht — stehen ganz auf einer Seite des Spektrums zwischen furchtbarem Trugbild und verehrungswürdigem Heiligen. Doch es gibt Gewichtungen, die benannt werden können und müssen.
Ikonen und Idole mit Ruf- und Fragezeichen eben.

Franz Moser

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